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Die Tessiner Wirtschaft: kein Vergleich zu anderen Schweizer Regionen

Interview mit Luca Albertoni, Direktor der Handels-, Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungskammer des Kantons Tessin (Cc-Ti).

2018 und 2019 beauftragte die Cc-Ti BAK Economics mit der Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung des Kantons, wobei sie sich auf spezifische Aspekte konzentrierte. Was hat die Cc-Ti dazu veranlasst, dieses Projekt durchzuführen?

Es war wichtig für uns, ein qualitativ hochwertiges wissenschaftliches Feedback über die wirtschaftliche Entwicklung des Kantons zu erhalten. Vor allem aber war es wichtig, dass dies von einem externen Beobachter kam, der nicht mit unserer lokalen Realität vertraut war. Damals wurden die Analysen von Instituten mit lokaler Präsenz, wenn nicht lächerlich gemacht, so doch ungerechtfertigt relativiert. Es ist leider zu einer Tessiner Gewohnheit geworden, nur die negativen Aspekte hervorzuheben und die vielen positiven Elemente, die von der Wirtschaft des Kantons zum Ausdruck gebracht wurden, zu ignorieren. Ein unabhängiger Blick war unerlässlich.

 

Welche Ziele wurden heute dank des Projekts erreicht und welche Strategien hat die Cc-Ti zur Unterstützung der Tessiner Wirtschaft entwickelt?

Das Projekt hat mittelfristig zu einer gewissen Neuausrichtung der Debatte geführt. Kurzfristig gab es viel destruktive Kritik, aber heute ernten wir die Früchte, besonders die kantonalen Behörden sind sich der Bedeutung bestimmter Sektoren bewusst geworden, über die man vielleicht zu wenig gesprochen hat. Unsere Unterstützung ist immer noch die gleiche, d.h. sie ist im Wesentlichen an zwei Faktoren gebunden:

- Auf politischer Ebene dafür sorgen, dass die Geschäftsmöglichkeiten günstig bleiben, d.h. gegen die Einführung unnötiger und übermässig belastender Vorschriften vorgehen oder versuchen, die bestehenden Vorschriften zu verbessern, z.B. im Bereich der Besteuerung;

- den Unternehmen die notwendige Unterstützung in Form von Beratung, Schulung und Information zukommen lassen. Diese Arbeit zielt nicht nur darauf ab, punktuell einzugreifen, wenn Unternehmen mit Schwierigkeiten konfrontiert sind, sondern auch darauf, durch ein breites Ausbildungsangebot den Unternehmen und ihren Mitarbeitern die notwendigen Werkzeuge an die Hand zu geben, um mit den immer schnelleren Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds Schritt zu halten.

 

Neben anderen Analyseelementen wurde im Rahmen des Projekts auch die Innovation gemessen, indem die Entwicklung der Patente in verschiedenen Technologiekategorien untersucht wurde. Wie beurteilen Sie die technologische Entwicklung in ihrem Kanton heute und in welchen Bereichen ist die Entwicklung am wichtigsten?

Die Studie war sehr nützlich, um die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen aufzuzeigen, eine Tatsache, die an sich nicht mehr bestritten wird. Heute stehen wir den anderen Schweizer Regionen in nichts nach. Abgesehen von den Rankings, in denen wir als eine der innovativsten Regionen Europas eingestuft werden, erleben wir täglich das Ausmass der Innovationsarbeit in unserem Wirtschaftsgefüge. Und ich spreche hier nicht nur von Produktinnovation, sondern auch von Prozessinnovation, so dass die Entwicklung über den rein technologischen Aspekt hinausgeht. Es ist klar, dass pharmazeutische Produkte eine sehr wichtige Rolle in dieser Dynamik spielen, aber auch andere Industrien wie Maschinenbau, Elektronik, Medtech und weitere spielen eine grundlegende Rolle. Nicht zu vergessen, dass Sektoren wie das Bauwesen und das Handwerk ebenfalls zu dieser Entwicklung beitragen, indem sie kontinuierlich an der Qualität der Materialien arbeiten. Schliesslich möchte ich die Bereiche ICT und künstliche Intelligenz hervorheben, in denen sich hochqualifizierte Fähigkeiten entwickeln.

 

Aus Ihrer privilegierten Sicht und dank Ihrer engen Beziehungen zu den schweizerischen und internationalen Handelskammern, welches sind die grössten Herausforderungen für Schweizer Unternehmen im Rahmen der bilateralen Abkommen?

Die grössten Probleme bestehen derzeit in den Bereichen, in denen aufgrund des Scheiterns des Rahmenabkommens die Regelungen, die unseren Unternehmen einen direkten Zugang zum EU-Markt ermöglichten, weggefallen sind. Ich denke dabei an den Medtech-Sektor, der heute grosse Schwierigkeiten in seinen Beziehungen mit der EU hat. Und ein ähnliches Schicksal scheint die Industrie im Allgemeinen ereilt zu haben, da die EU-Maschinenrichtlinie unseren Produkten keine  «bevorzugte» Behandlung mehr bietet. Ganz zu schweigen von der Nichteinigung über Energie, ein Thema, das in den kommenden Jahren aktuell bleiben wird, auch wenn die Schwierigkeiten in den letzten Monaten weniger spürbar waren als befürchtet, was wahrscheinlich auf die günstigen Wetterbedingungen zurückzuführen ist. Unsere Energieabhängigkeit von den Nachbarländern zu bestimmten Zeiten des Jahres ist eine Tatsache. Es ist daher äusserst fahrlässig, so zu tun, als ob nichts geschehen wäre.