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Die chemisch-pharmazeutische Industrie der Schweiz an der Spitze der Weltwirtschaft

Interview mit Stephan Mumenthaler, Direktor von scienceindustries

Der Global Industry Competitiveness Index stellt ein Monitoringinstrument dar. Warum ist es wichtig, die Wettbewerbsfähigkeit kontinuierlich und regelmässig zu analysieren?

Die chemisch-pharmazeutische Industrie macht rund 50 Prozent der Schweizer Exporte aus – ihre Wettbewerbsfähigkeit ist Voraussetzung für den Erfolg unserer Volkswirtschaft. Umso wichtiger ist es zu wissen, wo der Standort Schweiz sich gegenüber der globalen Konkurrenz verbessert hat und in welchen Aspekten an Boden verloren wurde. Beim «Global Industry Competitiveness Index» von BAK Economics lassen sich gezielt Stärken und Schwächen unserer Industrien herausarbeiten und entsprechender Handlungsbedarf identifizieren. 2022 lag die Schweiz wie in den Vorjahren auf dem zweiten Rang und musste sich nur den USA geschlagen geben. Wie sonst kein anderes Land zeigt die Schweiz ein sehr ausgewogenes Stärkenprofil. Diese Rahmenbedingungen sind allerdings nicht gegeben, sondern müssen laufend analysiert, verbessert und erweitert werden.

 

Es gibt bereits mehrere Wettbewerbsrankings für Volkswirtschaften. Warum ist es wichtig, mit dem GICI die Wettbewerbsfähigkeit der wichtigsten Industrie einzeln zu betrachten?

Die meisten Ansätze fokussieren auf die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften. Doch die Branchen einer Volkswirtschaft stehen nicht gleichermassen im globalen Konkurrenzkampf – manche (binnenmarktorientierte) Unternehmen befinden sich gar nicht im internationalen Wettbewerb. Gleichzeitig hängt das Wachstum der gesamten Volkswirtschaft und der Wohlstand aller langfristig stark davon ab, wie erfolgreich sich die exportorientierten Firmen auf den globalen Märkten behaupten können. Die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft ist besonders stark vom Erfolg ihrer «Exportbasis» abhängig. Aus diesem Grund stehen im GICI nicht die gesamte Volkswirtschaft, sondern exportorientierte Schlüsselbranchen der Schweiz im Fokus.

 

Laut der Studie von BAK Economics ist die chemisch-pharmazeutische Industrie der Schweiz hochgradig wettbewerbsfähig und belegt erneut den zweiten Platz im Global Industry Competitiveness Index. Was sind die Gründe für diesen Erfolg?

Die Schweizer Chemie-/Pharmaindustrie glänzt mit einer hohen Wettbewerbsfähigkeit. In allen vier Komponenten des GICI 2022 zählt sie zu den Top 4 Ländern: Bei der «Performance», das heisst dem realen Wertschöpfungs- und Produktivitätswachstum, liegt die Schweiz auf der Spitzenposition. Beim Thema «Standortqualität» belegt die Schweiz hinter Singapur einen hervorragenden zweiten Rang. Zu den grössten Stärken gehören die Qualität der Infrastruktur, die makroökonomische und politische Stabilität, eine starke Wissensbasis, eine liberale Arbeitsmarktregulierung sowie eine innovationsfreundliche und kompetitive Besteuerung. Jeweils den vierten Rang nimmt die Schweiz im Bereich der «Innovation und Technologieführerschaft» sowie der «Marktstellung und Leistungsfähigkeit» ein. Bei der Marktstellung und Leistungsfähigkeit besticht die Schweiz vor allem durch das hohe Produktivitätsniveau. Im Bereich Innovation zeigt die Schweiz sowohl bei den F&E Ausgaben als auch bei den Patenten Stärke.

 

Die Studie zeigt, dass die Digitalisierung eine der Schwachstellen ist, die es zu beseitigen gilt. Wie sollte diese Herausforderung angegangen werden?

Trotz guter allgemeiner Voraussetzungen in der Digitalisierung kann die Schweiz noch zu wenig von der digitalen Transformation profitieren. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen muss zügig vorangetrieben werden: Damit lassen sich Leerläufe vermindern, Therapieansätze optimieren, die Forschung beschleunigen und breiter abstützen sowie die Behandlungseffizienz insgesamt steigern. Beim elektronischen Patientendossier ist ein vernetztes, interoperables Gesundheits-Datenökosystem anzustreben, nicht eine elektronische Ablage von einzelnen Dokumenten. Äusserst wichtig ist es, das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in ein zusehend digitalisiertes Gesundheitswesen zu stärken. Denn ein solches System wird ohne die Beteiligung der letztlich Betroffenen nicht funktionieren.

 

Der Fokus des GICI-Berichts 2022 liegt auf den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Welches sind die wichtigsten Herausforderungen, denen sich scienceindustries stellen muss?

Der einseitige Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU gefährdet mittel- bis langfristig die wirtschaftlichen Vorteile der bilateralen Abkommen mit dem wichtigsten Handelspartner der chemisch-pharmazeutischen Industrie in der Schweiz. Besonders drei Themen sind von hoher Relevanz: Erstens hat die Schweiz derzeit nur eingeschränkten Zugang zum weltweit führenden Forschungsprogramm Horizon Europe. Im Forschungssektor sind erste negativen Folgen bereits Realität. Je länger dieser Zustand anhält, desto mehr drohen Einbussen bei der Innovationskraft. Zweitens sind die Life Sciences wie kaum eine andere Branche vom Zugang zu ausländischen Arbeitskräften abhängig. Ein möglicher Wegfall der Personenfrezügigkeit würde daher den Fachkräftemangel verschärfen. Die Folge wäre eine Verschlechterung der Standortqualität. Drittens ist das Abkommen über den Abbau technischer Handelshemmnisse von hoher Bedeutung: Falls gegenseitige Konformitätsbewertungen künftig nicht mehr aktualisiert werden, wären steigende Kosten und ein höherer administrativer Aufwand die Folge. EU-Standorte würden dadurch gegenüber dem Standort Schweiz an Attraktivität gewinnen.