Wirtschaftswachstum im europäischen Vergleich
Unser wirtschaftlicher Wohlstand hängt stark von der Produktivität unserer Unternehmen und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Schlüsselbranchen ab. Die Daten zeigen: Es besteht Handlungsbedarf.
Sind wir wirklich spitze? Wie stark ist die Schweizer Volkswirtschaft wirklich?
In der Schweiz sind wir es gewohnt, uns als eine der führenden Nationen der Welt zu betrachten, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich. Zahlreiche Rankings bescheinigen der Schweiz, eine der stärksten Volkswirtschaften zu sein. Als Weltmeister der Innovation ist die Schweiz bekannt für ihre herausragende Forschung, ihre Anziehungskraft auf Talente und ihre hohe Industrialisierung. Zudem sind wir stolz auf die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft in der Bewältigung vergangener Wirtschaftskrisen.
Dennoch führen diese Rankings manchmal zu undifferenzierten Generalisierungen und Schlussfolgerungen – insbesondere wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft geht. Denn bei genauerer Betrachtung zeigen sich Risse im Bild des Schweizer Erfolgsmodells: Zwar hat die Schweiz in den letzten zehn Jahren mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 1,8 % im Vergleich zu den 11 wichtigsten westeuropäischen Staaten relativ gut abgeschnitten (Rang 5). Doch wenn man das Wachstum pro Einwohner betrachtet, liegen wir mit 0,9 % p.a. nur noch auf Rang 8 von 12.
Entfernen wir den Beitrag der Pharmaindustrie (siehe Grafik unten, Mitte), die hier eine überragende Rolle spielt, bleibt vom Wirtschaftswachstum pro Einwohner kaum noch etwas übrig. Ohne die Pharmaindustrie landet die Schweiz beim Pro-Kopf-Wachstum mit einem jährlichen Zuwachs von 0,3 % am Ende der Rangliste.
Ohne Pharma kaum noch Pro-Kopf-Wachstum - woran liegt das?
Das Pro-Kopf-Wachstum setzt sich aus zwei Quellen zusammen: der Anzahl der Arbeitsstunden pro Einwohner und dem Mehrwert, der pro Arbeitsstunde generiert wird. Auf einem Mangel an Arbeitsstunden ist das schwache Pro-Kopf-Wachstum nicht zurückzuführen, denn die Erwerbsbeteiligung ist in den letzten 10 Jahren auf hohem Niveau noch leicht gestiegen. Der Hauptgrund für das geringe Pro-Kopf-Wachstum unserer Wirtschaft liegt vielmehr darin, dass die Produktivität kaum noch steigt.
Während die Pharmaindustrie aufgrund ihrer Innovationskraft ihre Wertschöpfung pro Beschäftigten jährlich um mehr als 10 % steigert, stagniert die Produktivität im Rest der Wirtschaft – und das über einen Zeitraum von 10 Jahren (siehe Grafik unten rechts). In dieser Hinsicht hinken wir anderen Ländern wie Irland, Schweden, Großbritannien, Dänemark oder den Niederlanden weit hinterher. Natürlich gibt es auch Branchen im „Rest“, die ihre Produktivität spürbar gesteigert haben, wie die chemische Industrie oder die Versicherungsbranche. Doch diese Steigerungen reichen nicht aus, um die Produktivitätsrückgänge in anderen Branchen zu kompensieren.
Wir stellen also fest: die Schweiz hat ein massives Produktivitätsproblem!
Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Wir verzeichnen ein hohes Mengenwachstum in Branchen mit unterdurchschnittlicher Produktivität (Gesundheits- und Sozialwesen), müssen Produktivitätsrückgänge in wichtigen Binnenbranchen (Bausektor) feststellen und beobachten, dass einige Exportbranchen nicht mehr an frühere Produktivitätswachstumsraten anknüpfen können und an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.
Was müssen wir nun tun?
Die Analysen zeichnen ein klares Bild: Wir brauchen für die Schweizer Wirtschaft eine Produktivitätsagenda. Maßnahmen zur Überwindung von Produktivitäts-hemmnissen im Bausektor und bei den Exportunternehmen werden sich lohnen. Darüber hinaus muss die Schweiz konsequent für optimale Rahmenbedingungen und höchstmögliche Standortqualität für alle Branchen sorgen. Nur so kann die Bevölkerung der Schweiz die Früchte einer produktiven Wirtschaft ernten – Wohlstand.